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Wo sich Bulle und Bär gute Nacht sagen – gettex verlängert die Handelszeiten
Dr. Robert Ertl, gettex
Die Börse gettex hat die Handelszeiten verlängert, sowohl morgends als auch abends. Robert Ertl, Vorstand der Bayerischen Börse AG, erklärt im Interview die Gründe für die Verlängerung und die Herausforderungen für die Börse und den Market Maker Baader Bank AG.

Ulrich Kirstein: Herr Dr. Ertl, die Börse gettex hat die Handelszeiten verlängert, sowohl morgens wie auch abends. Dabei wurde bisher bereits von 8:00 bis 22:00 Uhr über alle Finanzprodukte hinweg gehandelt. Wie lange kann man ab jetzt handeln und welche Gattungen?
Robert Ertl: Wir haben die Handelszeiten morgens auf 7:30 Uhr vorverlegt und am Abend um eine Stunde auf 23:00 Uhr verlängert. Täglich können unsere Kunden jetzt also 14,5 Stunden handeln! Derzeit trifft dies für alle ETPs, Fonds und Anleihen zu, außerdem auf die 1.000 meistgehandelten Aktien.
UK: Derzeit bedeutet, dass dieses Angebot noch ausgeweitet werden soll?
Ertl: Genau. Spätestens Ende des zweiten Quartals sollen alle Aktien auf gettex, das sind derzeit über 8.350, über die volle Handelszeit gehandelt werden können.
UK: Kann jeder, der über gettex handelt, die verlängerten Zeiten in Anspruch nehmen?
Ertl: Im Prinzip ja, aber es kommt auf die Banken, die Orderflow-Provider an, über die gehandelt wird. Die meisten sind aktiv dabei und kommunizieren das ja auch. Vereinzelte sind noch nicht dabei, da lohnt es sich vielleicht als Anleger, nachzuhaken, damit sie mitmachen.
Die Gründe für die Handelszeitverlängerung
UK: Was war eigentlich der Grund für die Verlängerung?
Ertl: Es war eindeutig das Interesse unserer Kunden, länger handeln zu können, was uns zu diesem Schritt bewogen hat. Und zwar sowohl der B2B-Kunden, also der Orderflow-Provider, hier insbesondere der Neobroker, als auch der Investoren und Anleger, wie wir aus vielen Gesprächen und Diskussionen zum Beispiel auf Börsentagen oder dem Anlegertag in München entnehmen konnten.
UK: Wolrin bestanden denn die Hauptschwierigkeiten beim Umsetzen dieser Handelszeitverlängerung?
Ertl: Nun, das gliedert sich in mehrere Punkte. Zum Beispiel arbeits-organisatorische, wie wir im Haus die Zeiten der Kolleginnen und Kollegen von der Marktsteuerung und Handelsüberwachung so koordinieren, dass sie durchgehend verfügbar sind. Aber auch die Abwicklung muss gewährleistet sein und selbstverständlich muss der Market Maker, in diesem Fall die Baader Bank, bereit dazu sein.
Sind Abendstunden riskant beim Handeln?
UK: Jetzt heißt es ja, dass in den späten Abendstunden der Spread besonders heftig ausfällt und es für Anleger nicht ratsam sei, zu handeln?
Ertl: Dieses Gerücht hält sich hartnäckig, aber auch nach 22:00 Uhr gilt bei uns das Referenzmarktprinzip wie auch den ganzen Tag über. Das bedeutet, dass der jeweils liquideste Handelsplatz als Grundlage für die Preisfeststellung dient. Gerade in US-Werten und europäischen Blue Chips gibt es einen liquiden Handel auch nach 22:00 Uhr auf US-Plattformen. Mondpreise sind also, auch bei Mondschein, nicht zu erwarten!
UK: Sie sprachen die US-Aktien an. Warum ist ein später Handel denn überhaupt interessant für Anleger?
Ertl: Einfach weil bei uns überproportional viele ausländische Titel gehandelt werden und es da durchaus sinnvoll ist, zeitnah während der örtlichen Handelszeit reagieren zu können. Ein Beispiel: 2024 waren 72 Prozent aller Orders auf gettex ausländische Aktien, allein US-Titel hatten einen Anteil von 46 Prozent! Aktien aus Kanada, Großbritannien und den Kayman Inseln – dort sind viele bekannte chinesische Unternehmen gelistet – folgen auf den Plätzen. Insgesamt wurden Aktien aus 71 Ländern über alle Kontinente und Zeitzonen hinweg gehandelt.
UK: Und zuletzt, können Sie schon etwas darüber sagen, ob die Handelszeitverlängerung auch angenommen wird.
Ertl: Das ist schwierig, selbstverständlich findet Handel statt, aber einiges wird nun auf den späteren Handelsschluss verschoben. Wie viel wirklich neu hinzugekommen ist, dafür ist es noch zu früh, eine detaillierte Aussage zu treffen. Für uns spielt das auch nicht die zentrale Rolle, wichtig war, dass es unsere Kunden so wünschen. Dann ist es unsere Aufgabe, alle zu tun, um diesen Wünschen soweit wie möglich entgegenzukommen.

Dr. Robert Ertl
Der Wirtschaftswissenschaftler kam nach Stationen in der Beratung und bei der Bayerischen Landesbank 2003 zur Bayerischen Börse. Als Prokurist gehört er seit 2009 der erweiterten Geschäftsleitung an. Seit 1. Januar 2018 ist Ertl gleichberechtigter Vorstand der Bayerischen Börse AG mit den Verantwortungsbereichen Business Development, Marktsteuerung, IT/Operations und Öffentlichkeitsarbeit und Presse.