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Rechtsruck 2.0 – Der politische Wandel als Game Changer für Kapitalmärkte
Paul Schofield, Royal London Asset Management
Der Rechtsruck in der globalen Politik ist mehr als ein Trend – er hat zunehmend strukturellen Charakter. Populistische Regierungen versprechen zwar Wirtschaftsfreiheit, agieren jedoch oft unberechenbar und schaffen so Unsicherheit für Investoren. Gewinner sind traditionelle Energiewerte, Infrastruktur und Rüstung. ESG-Investments geraten zunehmend unter Druck.
Paul Schofield, Royal London AM
Nach dem historischen Sieg von Keir Starmer im vergangenen Jahr wirkt die britische Politik zerrissen. Die Labour-Partei kämpft mit internen Konflikten – derweil machen Nigel Farage und seine Reform UK Druck von rechts und ziehen mit rund 30 Prozent an Labour vorbei. Vergangenes Jahr wäre dieses Szenario undenkbar gewesen.
Der Trend beschränkt sich nicht auf das Vereinigte Königreich. In den vergangenen Jahren hat sich auch in Europa, Amerika und Teilen Asiens ein klarer Rechtsruck in Wahlergebnissen abgezeichnet. Wachsende Unzufriedenheit mit etablierter Politik, Migrationsfragen und die wahrgenommenen Kosten der grünen Transformation treiben diesen Trend. In Europa ist diese Entwicklung insbesondere in Frankreich und Deutschland erkennbar, wo wirtschaftliche Stagnation und Migrationssorgen den Rückhalt für zentristische Regierungen erodierten. Sogar liberale Demokratien wie die Niederlande und Schweden erleben eine zunehmende Resonanz konservativer und nationalistischer Rhetorik.
Auch auf der anderen Seite des Atlantiks war der Präsidentschaftswahlkampf in den USA von Debatten über nationale Identität, Grenzkontrollen und ökonomische Unsicherheit geprägt. In Argentinien trat Javier Milei 2023 sein Amt als Präsident an und setzte ab 2024 radikale Reformen durch – darunter den Abbau von Subventionen und weitreichende Deregulierungen.
In Indien konnte Premierminister Modi mit seiner BJP 2024 die Macht sichern. Die Kombination aus hindu-nationalistischen Elementen und wirtschaftlicher Liberalisierung verdeutlicht, wie attraktiv kulturell betonte und zugleich marktorientierte Politik für viele Wähler geworden ist.
Während einige Länder am politischen Zentrum festhalten, zeigt das Gesamtbild eine zunehmende Skepsis gegenüber Globalisierung, Eliten und progressiven Agenden – insbesondere dann, wenn diese als Belastung für die „normalen Bürger“ empfunden werden.
Treiber des Rechtsrucks
Aus meiner Sicht sind es vor allem drei Faktoren, die diese Verschiebung vorantreiben.
- Wirtschaftlicher Unmut: Inflation, stagnierende Löhne und Kaufkraftverluste – besonders in unteren und mittleren Einkommensgruppen – schüren Frustration. Die Erholung nach der Pandemie verlief ungleich: Unternehmensgewinne und Börsen erholten sich rasch, private Haushalte spürten dagegen kaum Entlastung. Populistische Politiker nutzen diese Diskrepanz, indem sie versprechen, die „Kontrolle zurückzugewinnen“ und sie den technokratischen Eliten zu entreißen.
- Kulturelle Entfremdung: Eine wachsende Gruppe – insbesondere junger Männer – zeigt sich enttäuscht von liberalen Institutionen und Normen. Auf Plattformen wie YouTube oder TikTok finden sie Stimmen, die über Männlichkeit, Autonomie und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit sprechen. Politiker wie Präsident Javier Milei in Argentinien greifen diese Stimmung auf. Dieses demografische Segment entwickelt sich vielerorts zum entscheidenden Swing-Faktor.
- Verlangen nach Klarheit: Prekäre Arbeitsmärkte, Entfremdung von traditionellen Parteien und der Wunsch nach klarer ideologischer Orientierung verstärken die Unterstützung für radikale Veränderungen. Es handelt sich dabei weniger um idealistische Bewegungen früherer Generationen, sondern vielmehr um eine zynische, anti-elitäre Haltung – häufig libertär, nationalistisch oder kulturell konservativ.
Was bedeutet das für Anleger?
Der Aufstieg rechter Kräfte bringt neue Unsicherheiten in die Märkte. Für Investoren geht es nicht nur darum, politische Programme einzuschätzen, sondern auch die gesellschaftlichen Strömungen dahinter zu verstehen.
Gerade rechtspopulistische Regierungen agieren oft widersprüchlich: Einerseits gilt ihr Image als wirtschaftsfreundlich, andererseits kombinieren sie Deregulierungen mit protektionistischen Maßnahmen. Steuerkürzungen stehen neben teuren Sozialprogrammen, außenpolitische Unberechenbarkeit sorgt zusätzlich für geopolitische Spannungen.
Beispiel Brasilien: Unter dem ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro (2019-2022) führten institutionelle Konflikte und erratisches Regieren zu einem Vertrauensverlust in der Unternehmenswelt – trotz anfänglicher Hoffnungen auf Wirtschaftsreformen. Diese Diskrepanz zwischen Rhetorik und tatsächlicher Politik erschwert die langfristige Planung. Aktienanleger neigen dazu, unter diesen Umständen höhere Risikoprämien zu vergeben, insbesondere für internationale Unternehmen.
Eine akademische Studie aus diesem Jahr mit Daten von über 36.000 Unternehmen in 42 Ländern zeigt: Populistische Regierungen senken tendenziell die Unternehmensinvestitionen – politische Unsicherheit und Transaktionskosten steigen. Zwar können starke Institutionen wie unabhängige Gerichte oder proportionale Wahlsysteme diese Effekte abfedern, doch je länger populistische Regierungen an der Macht bleiben, desto mehr schwinden solche Kontrollmechanismen.
Gewinner und Verlierer im Sektorvergleich
- Infrastruktur & Industrie: Investitionen in nationale Infrastruktur, die Stärkung lokaler Lieferketten und die Förderung nationaler Champions begünstigen Bauwirtschaft, Energie, Luftfahrt und Halbleiter.
- Rüstung: Angesichts globaler Instabilität haben die NATO-Länder ihre Verteidigungsausgaben deutlich erhöht. Davon profitieren Rüstungsunternehmen – die Branche erlebt bereits seit mehreren Jahren eine Hausse.
- Energie: Skepsis gegenüber nachhaltigem Investieren – vor allem in den USA – schwächt die Dynamik grüner Kapitalflüsse. ESG-sensitive Aktien verlieren an Attraktivität, Erwartungen an Klimareporting oder nachhaltige Anlagestrategien werden zurückgeschraubt. Gleichzeitig erleben Öl- und Gaskonzerne ein Revival: Energieunabhängigkeit und die Aufweichung internationaler Klimaabkommen schaffen Rückenwind für fossile Projekte, inklusive der Wiederaufnahme zuvor gestoppter Vorhaben.
- Erneuerbare Energien & E-Mobilität: Ohne Subventionen oder regulatorische Unterstützung geraten diese Sektoren unter Druck und sehen sich mit einer Neubewertung ihrer Wachstumsperspektiven konfrontiert.
Ausblick
Politische Instabilität und radikale Politik können Anleihemärkte stark belasten. Bereits 2024 weiteten sich in mehreren Schwellenländern die Spreads aus, als Zweifel an institutioneller Unabhängigkeit und fiskalischer Disziplin wuchsen. Währungs- und Staatsrisiken bleiben hier ein zentrales Thema für Investoren.
In entwickelten Märkten wird politisches Risiko künftig ein struktureller Bestandteil der Investmentanalyse sein. Wer investiert, muss nicht nur Politik verstehen, sondern auch die kulturellen und institutionellen Strömungen, die sie hervorbringen.
Der weltweite Rechtsruck markiert eine neue Phase erhöhter politischer Risikoprämien. Für Anleger heißt das: Unsicherheiten nehmen zu – doch gerade in Sektoren wie Infrastruktur, Energie und Verteidigung ergeben sich Chancen. Entscheidend wird sein, die gesellschaftlichen Dynamiken hinter den politischen Verschiebungen zu erkennen und Investmentstrategien entsprechend anzupassen.
Paul Schofield
Paul Schofield ist Head of Global Equities bei Royal London Asset Management. Royal London Asset Management zählt zu den führenden aktiven Fondsmanagement-Gesellschaften im Vereinigten Königreich und verwaltet ein Vermögen von 181 Milliarden Pfund (Stand: 30. Juni 2025) für ein breites Kundenspektrum. Als unabhängiger und engagierter Kapitalverwalter übernimmt Royal London Asset Management Verantwortung im Interesse seiner Anleger, um langfristigen Mehrwert für seine Kunden zu schaffen und positive gesellschaftliche Auswirkungen zu erzielen.